Wer hätte das gedacht..? (Dezember 2008)


Viele Dinge im Leben sind, auch ohne dass man über hellseherische Fähigkeiten verfügt, ganz klar vorhersehbar, andere Dinge eben nicht. So ist es für die meisten Menschen ganz klar vorhersehbar, dass man ordentlich einen gezogen kriegt, wenn man in die Steckdose fasst. Auch der geneigte Betrachter eines Horrorfilmes rechnet sicher damit, dass der Kettensägenmörder, obwohl er vom Helden der Geschichte bereits erdrosselt, erschossen, gevierteilt, erdolcht und ertränkt wurde, noch lange nicht den Weg alles irdischen gegangen ist, um zu guter Letzt noch für einen gehörigen Schockmoment zu sorgen. Und eben dieser Schockmoment ist stets geeignet den Akteuren des Filmes immer wieder einen erschrockenen Gesichtsausdruck in die bis dahin gelangweilte Visage zu zaubern, da diese, der Spannung zu Liebe, eben nicht damit gerechnet haben.

Ähnlich erschrocken wird so mancher Verkehrsrowdy aus der Wäsche gucken, wenn ihm, im guten Glauben dass das Gröbste bereits überstanden sei, doch noch und unerwartet die Fahrerlaubnis entzogen wird. Um die Sache verständlich auf den Punkt zu bringen: Es ist durchaus möglich, dass man aufgrund sportlicher Artistikeinlagen im öffentlichen Straßenverkehr, zuerst von einem Strafgericht zu einer Geldbuße nebst Fahrverbot verurteilt wird, und einem im Anschluss daran (jetzt kommt der Schockmoment!) von der Straßenverkehrsbehörde auch noch die Fahrerlaubnis entzogen wird.

Nun ist eine doppelte Bestrafung für ein einziges Vergehen ziemlich unfair und daher nicht gestattet. Bei näherer Betrachtung wird man jedoch feststellen, dass hier überhaupt keine doppelte Bestrafung vorliegt. „Bestraft“ wird der sportliche Motorradfahrer durch die Geldbuße und das Fahrverbot sponsored vom Amtsgericht. Die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Behörde dient jedoch der Gefahrenabwehr und ist nicht als „Strafe“ zu bewerten.

Dreh und Angelpunkt ist einmal mehr die „charakterliche Geeignetheit zum Führen von Kfz“.

Diese wird einem Fahrerlaubnisinhaber im Regelfall dann abgesprochen, wenn das Flensburger Punktekonto voll ist.

Im Einzelfall ist die Entziehung der Fahrerlaubnis, oder zumindest die Beibringung eines Eignungsgutachtens (Idiotentest), auch außerhalb des Punktesystems gerechtfertigt, wenn der Fahrerlaubnisinhaber z.B. durch die beharrliche und häufige Begehung von Verkehrsverstößen  auffällig geworden ist, auch wenn die einzelnen Verstöße für sich gesehen nicht als gewichtig anzusehen sind. Gleiches nahm das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht an, wenn der Fahrerlaubnisinhaber nur durch einen einzelnen, dafür jedoch erheblichen, Verkehrsverstoß auffällig geworden ist.

Dieses musste ein niedersächsischer Motorradfahrer kürzlich am eigenen Leib erfahren. Zunächst war er vor dem Amtsgericht aufgrund der mehrfachen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um bis zu 84 Km/h innerhalb und außerhalb geschlossener Ortschaften während einer einzigen Motorradfahrt, sowie wegen eines Überholvorganges im Überholverbot, zu einer Geldbuße von 500,- € und einem dreimonatigen Fahrverbot verdonnert worden.

Als der erste Schock verflogen war, wurde derselbe Motorradfahrer, aufgrund der bereits abgeurteilten Vergehen, von der zuständigen Behörde aufgefordert, ein Gutachten über seine Fahreignung, sprich Idiotentest, vorzulegen. Nachdem sich der Motorradfahrer weigerte ein solches Gutachten vorzulegen, wurde ihm von der Behörde die Fahrerlaubnis entzogen.

Zu Recht, urteilte das Niedersächsische OVG. Das Vorgehen der Behörde sei gerechtfertigt, da ein Ausnahmefall vorliege. Den Ausnahmefall begründete das Gericht mit dem Umstand, dass der Motorradfahrer innerhalb kurzer Zeit vorsätzlich tateinheitlich vier erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitungen begangen und zudem noch vorsätzlich gegen ein Überholverbot verstoßen hat. Hierdurch habe er sich durch sein konkret rücksichtsloses Fahrverhalten vorsätzlich über die belange der Verkehrssicherheit hinweggesetzt und eine erhebliche Gefährdung sowohl anderer Verkehrsteilnehmer, als auch seiner eigenen Person dem Zufall überlassen. Das Gericht schlussfolgerte daraus, dass erhebliche Zweifel an der charakterlichen Eignung des Motorradfahrers zum Führen von Kfz bestünden und daher die Anordnung der Beibringung eines Fahreignungsgutachtens sowie die nachfolgende Entziehung der Fahrerlaubnis gerechtfertigt waren.

Tja, wer hätte das gedacht….. da könnte man die Fahrerlaubnis verlieren  ohne vormals je auffällig geworden zu sein, nur weil man einmal einen guten Tag hatte.

Ich selbst betrachte diese Entwicklung der Rechtsprechung mit gemischten Gefühlen. Zum einen macht es schon Sinn den einen oder anderen Piloten mit lebensverneinender Fahrweise frühzeitig aus dem Verkehr zu ziehen, da diese Spezies mindestens genauso gefährlich sind wie der Typ mit der Kettensäge.  Zum anderen jedoch öffnet die Argumentation des OVG möglicherweise der Unverhältnismäßigkeit Tür und Tor. Sicherlich wird nicht derjenige, welcher versehentlich über Rot fährt oder die Geschwindigkeit einmalig erheblich überschreitet weil er nicht aufgepasst hat, mit der Rache der Behörde rechnen müssen. Bei einem einzelnen schwerwiegenden Verstoß werden Umstände wie versehentliche oder vorsätzliche Begehung immer entsprechend berücksichtigt werden.

Problematischer ist meiner Ansicht nach aber, dass auch die beharrliche und häufige Begehung von Verkehrsverstößen geeignet ist, Zweifel an der charakterlichen Eignung zu erwecken. Was ist denn häufig? Was ist beharrlich? Diese Begriffe sind gesetzlich nicht definiert und können doch recht unterschiedlich ausgelegt werden. Reicht es vielleicht schon aus wenn ich in zwei Monaten dreimal falsch parke? Oder bin ich charakterlich nicht geeignet weil ich Motorradfahrer bin? ……….und wie definiert man überhaupt Rechtssicherheit?

See you………….