Nur wer wagt, gewinnt…. (September 2009)


Es gibt ja so manch sinniges und unsinniges Zubehör für unser liebstes Kind.

Was so ein  Möchtegern Customizer ist, bestellt den halben Zubehörkatalog und verschlimmbessert sein Bike mit Adleremblemen, Live to Ride Schriftzügen, Lederfransen und sonstigem unnützen Chromzierrat. Bis auf die Tatsache, dass Chrom Teufelswerk ist, und die Bikes der Möchtegern-Customizer einfach nur Scheiße aussehen, hat dies Fraktion eigentlich keine weiteren Probleme, na gut psychische Probleme vielleicht, aber zumindest keine mit dem TüV und den diversen Zulassungsbestimmungen.

Wer ein wenig technischen Sachverstand und die entsprechende Phantasie hat, betreibt die Umgestaltung seines Motorrades auf einer anderen Ebene. So zum Beispiel der Besitzer einer MV Agusta, der seinen Hobel mit edlen Carbonrädern aus dem Hause DYMAG ausstattete.

Das ist doch mal Customizing mit Sinn und Verstand. Die Teile sind äußerst leicht und dabei noch stabil, verbessern das Fahrverhalten und sehen wirklich geil aus.

Diese Meinung konnte der TüV und das Innenministerium Baden-Würtemberg nicht teilen und versagte dem MV Agusta Treiber, mit dem Hinweis auf eine erloschene Betriebserlaubnis, kurzerhand die Eintragung in die Fahrzeugpapiere.

Es folgte ein Kampf  „David gegen Goliath“ vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart…….und siehe da, Goliath hat eins auf die Mütze bekommen.

Das Verwaltungsgericht verfasste folgenden höchst erfreulichen Leitsatz: „Die Betriebserlaubnis für ein im Übrigen vorschriftsmäßiges und mit einer EG-Betriebserlaubnis versehenes Kraftrad darf nicht allein deshalb versagt werden, weil das Kraftrad mit in Großbritannien hergestellten und dort ohne Beschränkung für diesen Motorradtyp zugelassenen Carbonrädern ausgestattet worden ist.“ Glaubt mir, dass war noch der Unkomplizierteste Satz des 9-Seitigen Urteils. Nachfolgend versuche ich einmal kurz und verständlich darzustellen, warum unser David gegen den großen Goliath gewonnen hat.

Kurz zu den Rahmenbedingungen: Die englischen Carbonfelgen entsprechen diversen englischen Standards, es existiert jedoch kein deutsches Gutachten, da bislang keinerlei Prüfstandards für Carbonräder festgelegt wurden.  Auch ist eine EG- oder ECE- Typengenehmigung nicht existent.

Ob die Betriebserlaubnis des Motorrades durch die Umrüstung auf Carbonräder nach § 19 Abs. 2 StVZO erlischt, lässt das Gericht ausdrücklich offen, teilt jedoch mit, dass eine Betriebserlaubnis auf Antrag und ohne Vorlage eines Gutachtens auch dann erteilt werden kann, wenn von der Umrüstung keine Gefährdung der Verkehrsteilnehmer zu erwarten ist.

Eine Gefährdung durch Carbonräder konnte die Beklagte Behörde in dem Verfahren nicht nachweisen.

Jetzt wird das Ganze aber erst einmal richtig interessant, da das Gericht weiter argumentiert, dass es gar keine Rolle spiele, ob die Betriebserlaubnis nach nationalem Recht erlöschen würde. Unabhängig davon, müsse aufgrund europäischer Regelungen (hier Art. 28 EG) eine neue Betriebserlaubnis erteilt werden.

Der Artikel 28 EG ist aber erstaunlicherweise gar keine zulassungsrechtliche Vorschrift sondern regelt vielmehr den innergemeinschaftlichen freien Warenverkehr. Danach sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zwischen den Mitgliedsstaaten verboten. Die Versagung der Betriebserlaubnis für die mit Carbonrädern ausgerüstete MV-Agusta wurde hier als „Maßnahme gleicher Wirkung“ eingeordnet, weshalb das Gericht einen Verstoß gegen unmittelbar anwendbares EU-Recht als gegeben ansah. Einfuhr- Ausfuhr und Durchfuhrverbote und Beschränkungen sind nur dann zulässig, wenn Gründe der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit usw. usw., dieses Rechtfertigen.

Da jedoch Carbonräder seit Jahren im öffentlichen englischen und niederländischen Straßenverkehr, als auch im Rennsport eingesetzt werden, ohne dass es jemals zu einem Unfall kam, welcher auf eine fehlende Betriebssicherheit der Carbonfelgen zurückzuführen wäre, gekommen ist, konnte das Gericht keinerlei Gefährdung durch Carbonräder erkennen.

Die Versagung der Betriebserlaubnis stellt demnach eine unverhältnismäßige Beschrämkung des Art. 28 EG dar und die Beklagte Behörde wurde dazu verdonnert dem kleinen David die beantragte Betriebserlaubnis für seine MV Agusta zu erteilen.

Seither fährt im Süddeutschen Raum eine MV Agusta ganz legal mit Carbonrädern umher…..und das ganz ohne ein deutsches Gutachten, EG- oder ECE-Typengenehmigung.

Die Entscheidung wurde zur Berufung zugelassen, ob es jedoch in die nächste Instanz geht, ist mir zur Zeit nicht bekannt……..wir werden sehen.

Wie man sieht geht doch einiges mehr als man gemeinhin erwartet und der Ausspruch „nur wer wagt gewinnt“ hat hier einmal mehr mitten in’s Schwarze getroffen……es bleibt zu hoffen, dass viele diesem Beispiel folgen werden.

See you……………………….