Motorradfahren…..Verschulden gegen sich selbst ? (Juni 2007)


Momentan sorgt ein Urteil des Landgerichts Frankfurt (Aktenzeichen: 2-20 O 88/06) vom 07.09. 2006 für erhebliche Diskussionen in diversen Internetforen, an Stammtischen usw.

Über das Urteil selbst lässt sich sicherlich streiten, was ich aber in der Urteilsbegründung lesen musste zog mir glatt die Schuhe aus.

Und damit sich alle an der, durchaus berechtigten und interessanten Diskussion beteiligen können, folgt gleich die Zerlegung des Urteils in seine Bestandteile.

Was war passiert?

Der Kläger, ein Hayabusa – Pilot, fuhr eines schönen Tages an einem sonnigen Wochenende durch ein beliebtes Ausflugsziel am Feldberg. Trotz der erlaubten Geschwindigkeit von 100 Km/h fuhr der Kläger lediglich mit 80 Km/h, was ihm das Gericht nicht widerlegen konnte.

Dem Kläger folgte der Zeuge G und etwa 15 Meter dahinter der Zeuge E, jeweils ebenfalls mit einem Motorrad.

Unmittelbar vor dem Grüppchen mündeten zwei Wege in die Straße und queren diese. Aus einem dieser Wege kam nun der beklagte Radfahrer.

Ob der Radfahrer nun, wie vom Kläger behauptet, ohne anzuhalten auf die Straße fuhr, oder zunächst am Straßenrand wartete, konnte (oder wollte) im gerichtlichen Verfahren nicht geklärt werden.

Zumindest der Zeuge E, der an dritter Position fuhr, bemerkte den Radler und konnte ohne weitere Probleme bremsen. Der Kläger und der Zeuge G entdeckten den Radler unmittelbar nachdem der zeuge E seine Bremsung einleitete und legten sich mitsamt ihrer Motorräder aufgrund einer Vollbremsung voll auf die F…… Entgegen vieler Gerüchte kam es übrigens nicht zur Kollision zwischen Rad- und Motorradfahrer.

Im Ergebnis ging das Gericht nach der Beweisaufnahme davon aus, dass der Hayabusa-Pilot den Unfall selbst, durch mangelnde Aufmerksamkeit, verschuldete.  Die Klage wurde abgewiesen. Das Ergebnis mag vertretbar sein, sofern man die Ungereimtheiten bei der gerichtlichen Würdigung der Aussagen ignoriert. So gibt der Beklagte Radfahrer zu, noch vor den herannahenden Motorrädern die Straße gequert zu haben. Daraufhin stellt sich die Frage, warum denn wohl der an dritter Stelle fahrende Zeuge E gebremst hat. Doch sicherlich, weil ein Radfahrer die Straße querte und auch der Zeuge E diesen nicht überfahren wollte.  Im Übrigen wurde gar nicht erst weiter auf ein eventuelles Verschulden des Radfahrers eingegangen, auf Motorradfahrern rumzuhacken macht ja auch viel mehr Spaß. Naja, soll sich die nächste Instanz damit befassen!

Auch die weitere Argumentation des Gerichts, an der Unfallstelle sei ja ein Parkplatz und ohne Ende Radwege und viele Ausflügler usw., und deshalb müsse man dort als Kradfahrer besondere Vorsicht walten lassen, lässt sich noch nachvollziehen.

Was ich dann aber lesen musste verschlug mir doch glatt die Sprache und ließ mich blass werden. Ich zitiere das mal:

„…. Danach lässt sich die Betriebsgefahr der Motorradfahrer grundsätzlich als Verschulden gegen sich selbst begreifen, so dass die Unfallfolgen schon deshalb als bewusst in Kauf genommen ganz überwiegend nicht auf einen Unfallgegner abgewälzt werden können.“

Hallo ? Geht’s noch ?

Ich fahre auch Motorrad und nehme ganz gewiss nicht bewusst in Kauf, bei einem Unfall schwer verletzt  zu werden. Auch wenn Motorradfahren potentiell gefährlich sein mag, so kann es nicht angehen, wenn hier generell einem Schädiger die Verantwortlichkeit für seinen Verschuldensbeitrag genommen und gleichzeitig dem Motorradfahrer zugeschoben wird.

Sollte sich diese Ansicht in der Rechtsprechung durchsetzen sieht es wohl künftig für Motorradfahrer im Falle eines „unverschuldeten“ Unfalls recht finster aus.

Und das Gericht geht noch weiter…..

Es bezieht sich auf eine Statistik in welcher zu lesen sei, dass emotionale Einflüsse auf das Fahrverhalten die Oberhand gewinnen und eine subjektive Kontrollüberzeugung eine adäquate Beurteilung real existierender Gefahren verhindern…! So, So, für das Landgericht Frankfurt sind also alle Motorradfahrer von sich selbst und ihren Fähigkeiten blind überzeugte hirnlose Raser, welche jede Gelegenheit nutzen um sich, ohne jeglicher Berücksichtigung geltender Verkehrsregeln, dem Rausch der Geschwindigkeit hinzugeben.

Ich hab’s ja schon immer gewusst…..so sind wir Motorradfahrer.

Schließlich gibt das Gericht noch folgendes zum Besten:

„ Das Gericht geht sicherlich nicht fehl in der Annahme, dass diese Dinge auch vorliegend eine Rolle gespielt haben: Ein Sonntag, schönes Wetter, eine beliebte Motorradstrecke- die jährlich wegen ihrer Gefahren wegen Todesopfer fordert-, eine Maschine, die in 7,4 Sekunden auf 200 Km/h beschleunigt. Dies alles begünstigt eine Stimmung, die jeder Autofahrer an jedem schönen Wochenende bei zahllosen Motorradfahrern beobachten kann. Hier beherrscht häufig die Technik den Menschen und nicht umgekehrt, zumal die streitgegenständliche Maschine 251 Kg wiegt.“

Da frag ich mich doch, wovon der Richter hier wohl beherrscht wurde?

Keinerlei konkrete Feststellung, lediglich Vermutungen und aus einer abstrakten Statistik abgeleitete Erkenntnisse. Es erscheint hier tatsächlich so, als würden die gängigen Vorurteile gegenüber Motorradfahrern zur Urteilsbegründung in einem konkreten Fall herangezogen.

Um noch einmal kräftig nachzutreten schließt die Urteilsbegründung mit den Worten:

„Hier liegen die Gefahren so eindeutig auf Seiten der Motorradfahrer, –  jedenfalls als Verschulden gegen sich selbst gewertet – dass eine Mithaftung auf Ursache und Schadensumfang nur bei groben Verkehrsverstößen anderer Teilnehmer zu bejahen ist.“

Sorry, aber so einen Müll gibt’s noch nicht einmal in der Regenbogenpresse zu lesen.

Meiner Ansicht nach ist zumindest die Urteilsbegründung in weiten Teilen nicht mit der gültigen Rechtsordnung unseres schönen Landes zu vereinbaren.

Die nächste Instanz wird’s richten……hoffentlich!

See you…